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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil verkündet am 21.12.2004
Aktenzeichen: 2 UF 138/04
Rechtsgebiete: GG, BGB


Vorschriften:

GG Art. 3
BGB § 1577 Abs. 2
BGB § 1578
Es ist daran festzuhalten, dass sich die Bemessung des infolge Kinderbetreuung überobligatorischen Einkommens des Unterhaltsberechtigten nach § 1577 Abs. 2 BGB richtet, also kein einkommensunabhängiger Pauschbetrag abzusetzen ist, wobei dieses Einkommen darüber hinaus nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2003, 518, 520) nicht als eheprägend anzusehen sein soll. Es ist auch daran festzuhalten, dass bei entsprechend flexibler Handhabung durch die Zubilligung eines pauschalen Betreuungsbonusses auf Seiten des Unterhaltspflichtigen eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung Sinne des Art. 3 Grundgesetz gegenüber dem Unterhaltsberechtigten nicht erfolgt. Hat nämlich der Unterhaltspflichtige zwangsläufig das höhere Einkommen erzielt, würde die quotenmäßige Nichtberücksichtigung seines Einkommens dazu führen, dass die vergleichbare Leistung der Kindesbetreuung beim Unterhaltsverpflichteten sogar ungleich höher bewertet würde.
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE Im Namen des Volkes Urteil 2 UF 138/04

Verkündet am: 21.12.2004

wegen nachehelichem Ehegattenunterhalt

hat der 2. des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 01. Dezember 2004 durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Lotz, Gadamer, Baßler-Frühauf

für Recht erkannt:

Tenor:

1.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Wiesloch vom 22.4.2004 (2 F 52/03) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 2. des Urteils wie folgt gefasst wird:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin von April 2003 bis Mai 2004 einschließlich monatlich nachehelichen Unterhalt in Höhe von 248 € zu zahlen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A

Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt.

Hinsichtlich des Sachverhalts wird zunächst auf die Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen.

Der zwölfjährige Sohn der Parteien hält sich weiterhin entsprechend der zwischen ihnen getroffenen Vereinbarung drei Wochen im Monat beim Vater und eine Woche im Monat bei der Mutter auf.

Die Klägerin, die seit der Trennung zunächst teilschichtig gearbeitet und anschließend Arbeitslosenunterstützung bezogen hat, steht seit 20.5.2004 in einem festen Beschäftigungsverhältnis. Sie hat deshalb (mit Zustimmung des Beklagten) für die Zeit ab Juni 2004 die Klage zurückgenommen.

Das Amtsgericht hat der Klägerin nachehelichen Unterhalt in Höhe 321 € monatlich für die Monate September 2002 bis Dezember 2002 und in Höhe von 248 € monatlich ab Januar 2003 zuerkannt. Seiner Berechnung hat es ein durchschnittliches Monatseinkommen des Beklagten in Höhe von 2000 € netto zu Grunde gelegt und den darüber hinausgehenden Teil seines Lohnes im Hinblick auf umfangreiche Nachtarbeit unberücksichtigt gelassen. Dieses Einkommen hat es um Fahrtkosten, anteiligen Barunterhalt für den Sohn, einen Betreuungsbonus in Höhe von 250 € und 10 Prozent Erwerbstätigenbonus bereinigt und den Beklagten nur in Höhe von 321 € beziehungsweise 248 € monatlich als leistungsfähig angesehen.

Der Beklagte behauptet,

der Sohn habe sich bereits ab Januar 2002 überwiegend, zumindest zu 2/3 bei ihm aufgehalten. Zum Beweis beruft er sich auf von ihm selbst erstellte Anwesenheitslisten und das Zeugnis des Sohnes.

In rechtlicher Hinsicht beanstandet er, dass das Amtsgericht die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung, dass er im Zusammenhang mit der Finanzierung der Ehewohnung anfallende Lebensversicherungsprämien in Höhe von monatlich 287 € allein aufbringe und die Klägerin darüber hinaus keine Unterhaltsansprüche geltend mache, nicht als Unterhaltsverzicht gewertet hat.

Ferner rügt er einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz. Dieser liege darin, dass beim Unterhaltsberechtigten Einkommen aus im Hinblick auf Kinderbetreuung überobligatorischer Erwerbstätigkeit nur teilweise angerechnet werde während dem Unterhaltspflichtigen in derselben Situation lediglich ein Betreuungsbonus zugestanden werde.

Schließlich beruft sich der Beklagte darauf, dass die Klägerin ihren etwaigen Unterhaltsanspruch gem. § 1579 Nr. 7 BGB verwirkt hätte, weil sie seit April 2002 in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebe. Sie zeige sich mit ihrem Lebensgefährten ungezwungen in der Öffentlichkeit als Paar und habe auch schon mehrfach mit ihm Urlaub verbracht.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Wiesloch vom 22.4.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie akzeptiert die Unterhaltsberechnung durch das Amtsgericht und verteidigt dieses im übrigen.

B

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1. Ein genereller Verzicht der Klägerin auf nachehelichen Unterhalt lässt sich nicht feststellen. Nach ihrer eigenen Darstellung war anlässlich der Trennung zwischen den Parteien vereinbart, dass sie keinen Unterhalt für sich erhalte, der Beklagte aber die Zahlungsverpflichtung gegenüber der S. Lebensversicherung in Höhe von 287,60 € monatlich allein trage. Der Vortrag des Beklagten, die Vereinbarung habe den Inhalt, dass er die von den Eheleuten als Gesamtschuldner zu tragenden Beiträge für die Lebensversicherung in Höhe von 287 € bis zum Verkauf der ehelichen Wohnung weiter entrichte und die Klägerin darüber hinaus keine Ansprüche geltend mache, entspricht der Darstellung der Klägerin. Diese Vereinbarung lässt sich jedoch entgegen der Ansicht des Beklagten nicht als genereller Unterhaltsverzicht für die Zeit nach Entfallen der vom Beklagten übernommenen Zahlungsverpflichtung auslegen. Aus dem Zusammenhang zwischen Zahlungsverpflichtung und Unterhalt ergibt sich vielmehr nach der allgemeinen Lebenserfahrung sowie nach Treu und Glauben, dass kein Unterhalt geltend gemacht werden sollte, solange der Beklagte die Zahlungsverpflichtungen bediente. Für einen weiter gehenden Unterhaltsverzicht hat auch die Aussage des in erster Instanz vernommenen Zeugen, Rechtsanwalt D., nichts ergeben.

Eine so bedeutsame Regelung wie ein vollständiger Verzicht auf nachehelichen Unterhalt kann in der anlässlich der Trennung erfolgten mündlichen Vereinbarung der Parteien deshalb nicht gesehen werden. Hinzu kommt, dass die Vereinbarung als Verzicht auf Trennungsunterhalt ohnehin nichtig war, §§ 1361 Abs. 4, 1360a Abs. 3, 1614 BGB. Dies hätte sich gem. § 139 BGB auch auf den nachehelichen Unterhalt ausgewirkt, würde es insoweit nicht ohnehin bereits an einer Verzichtsvereinbarung fehlen.

2. Die Klägerin hat ihren Unterhaltsanspruch auch nicht gem. § 1579 Nr. 7 BGB verwirkt. Eine eheähnliche Lebensgemeinschaft, wie sie die Klägerin nach dem Vortrag des Beklagten mit ihrem neuen Partner unterhält, kann die Fortsetzung von Unterhaltszahlungen für den Unterhaltspflichtigen objektiv unzumutbar machen. Dies setzt jedoch eine derartige Verfestigung der Partnerschaft voraus, dass diese gleichsam an die Stelle einer Ehe getreten ist (BGH, Fam RZ 1995,344 und 540; Palandt/Brudermüller, BGB, 63. Aufl., § 1579 Rdnr. 39; Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 4 Rdnr. 755). Dies kann in der Regel erst nach einem längeren Zeitraum von etwa zwei bis drei Jahren angenommen werden (vgl. Palandt/Brudermüller, a. a. O.; Wendl/Gerhardt, a. a. O., BGH, NJW 1997,1851). Nach dem Vortrag des Beklagten bestand die neue Partnerschaft der Klägerin zu Ende des Zeitraums, für den Unterhalt gefordert wird (5/04), gerade einmal zwei Jahre, nämlich seit April 2002. Die Voraussetzungen des Verwirkungstatbestandes sind deshalb nicht erfüllt.

3. Auch die Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin durch das Amtsgericht lässt Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten nicht erkennen.

Zutreffend ist allerdings die Feststellung des Beklagten, dass wegen Kindesbetreuung aus überobligatorischer Tätigkeit erzieltes Einkommen des Unterhaltsberechtigten gem. § 1577 Abs. 2 BGB nur teilweise angerechnet wird, während das vom Unterhaltspflichtigen durch Vollzeittätigkeit erzielte Einkommen auch dann als eheprägend angesehen wird, wenn er außerdem ein minderjähriges Kind betreut. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liegt hierin jedoch nicht, wenn, wie üblich und hier durch das Amtsgericht erfolgt, die Mehrbelastung des Unterhaltspflichtigen durch die Zubilligung eines so genannten Betreuungsbonus als Abzugsposten von seinem Einkommen berücksichtigt wird (vgl. BGH, FamRZ 2001, 350, 352).

Der BGH hat hierzu ausgeführt: "Einkommen aus einer wegen der Betreuung minderjährige Kinder über das gebotene Maß hinaus ausgeübten Erwerbstätigkeit hat bei der Unterhaltsbemessung zwar nicht von vornherein unberücksichtigt zu bleiben. Über die Frage der Anrechnung ist vielmehr nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Die Berücksichtigung eines anrechnungsfreien Betrages des auf einer überobligationsmäßigen Tätigkeit beruhenden Mehreinkommens hat der Senat auch dann für gerechtfertigt gehalten, wenn keine konkreten Betreuungskosten anfallen, etwa, weil die zweite Ehefrau des Unterhaltsverpflichteten das Kind aus dessen erster Ehe mitbetreut.... Dessen Bemessung, die sich ebenso wie die Ermittlung eines einem Unterhaltsberechtigten nach § 1577 Abs. 2 BGB anrechnungsfrei zu belastenden Teils des Einkommens einer schematischen Beurteilung entzieht, wird im Einzelfall davon abhängen,... Bei Berücksichtigung aller insoweit maßgebenden Umstände ergibt sich grundsätzlich keine Ungleichbehandlung von überobligationsmäßigen Erwerbseinkünften des Unterhaltsberechtigten und des Unterhaltsverpflichteten."

Der BGH hält damit zunächst daran fest, dass sich die Bemessung des infolge Kinderbetreuung überobligatorischen Einkommens des Unterhaltsberechtigten weiterhin nach § 1577 Abs. 2 BGB richtet, also kein einkommensunabhängiger Pauschbetrag abzusetzen ist, wobei dieses Einkommen darüber hinaus nicht als eheprägend anzusehen sein soll (FamRZ 2003,518,520, str., vgl. Wendl/Gerhardt, a. a. O., § 4 Rdnr. 193, 257). Der Senat schließt sich den Ausführungen des BGH an, dass bei entsprechend flexibler Handhabung durch die Zubilligung eines pauschalen Betreuungsbonusses auf Seiten des Unterhaltspflichtigen eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung Sinne des Art. 3 Grundgesetz nicht erfolgt. Dies hängt damit zusammen, dass der Unterhaltspflichtige zwangsläufig das höhere Einkommen erzielt, weshalb die quotenmäßige Nichtberücksichtigung seines Einkommens, etwa zur Hälfte, dazu führen würde, dass die vergleichbare Leistung der Kindesbetreuung sogar unberechtigt unterschiedlich bewertet würde.

Dies mögen folgende Beispielsrechnungen erhellen:

Wäre eine Halbtagstätigkeit geschuldet und betrüge das Einkommen aus Vollzeittätigkeit der Ehefrau 1200 €, das des Ehemannes 2000 €, ergäbe sich bei Betreuung des Kindes durch die Ehefrau etwa folgende Berechnung:

Bedarf 1300 € (2000 + 600;./.2). Dieser wäre in Höhe von 800 € (600 + 1/3 der überobligatorisch erzielten 600) gedeckt, so dass ihr Anspruch 500 € betrüge.

Dies bedeutet gegenüber der Situation geschuldeter Vollzeittätigkeit einen Bonus von 100 € (Bedarf 1600 € [2000 + 1200;./.2], gedeckt in Höhe von 1200 €, Anspruch 400 €).

Würde man im umgekehrten Fall (Kindesbetreuung durch den Ehemann) dessen Einkommen nur zur Hälfte als bedarfsprägend ansehen, wäre der Bedarf der Ehefrau nur 1100 (1200 + 1000;./. 2). Sie hätte keinen Anspruch. Dies bedeutet gegenüber geschuldeter Vollzeittätigkeit einen Bonus für den Ehemann in Höhe von 400 €. (Wie oben dargelegt, hätte die Ehefrau bei geschuldeter Vollzeittätigkeit beider Elternteile einen Unterhaltsanspruch von 400 €, den der Ehemann bei quotenmäßiger Bewertung seiner Betreuungsleistung "sparen" würde.)

Bei größeren Einkommensunterschieden wäre das Missverhältnis zwischen den dem jeweils betreuenden Elternteil im Hinblick auf die Kindesbetreuung verbleibenden Beträgen noch krasser.

Es hat deshalb beim Unterhaltspflichtigen bei der Berücksichtigung der Kindesbetreuung durch einen pauschal bemessenen Betreuungsbonus zu bleiben.

Die Berufung war nach alledem mit der Kostenfolge der §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Es bestand kein Anlass, die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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